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Szenenfoto WeibesSchuld_by Stefan Duda/THEATER DER LIEBE_1200X800_2025
Foto | Stefan Duda

Make love not war

Rheinpfalz, Ausgabe vom 27. Januar 2025, von Cosima Schade.

Anja Kleinhans feiert mit ihrem neuen Stück „Weibesschuld“ Premiere im Freinsheimer „Theater der Liebe“.

Nein, nicht die „schöne Helena“, die Femme fatale der Antike, ist schuld am Trojanischen Krieg, sondern die Machtgier der Herrschenden, der Männer. Anja Kleinhans liefert in ihrem neuen Stück „Weibesschuld“ nach einer Vorlage des Spaniers Miguel del Arco ein eindringlich zeitloses Plädoyer für den Frieden. Die Zuschauer bei der Premiere am Samstag im Freinsheimer „Theater der Liebe“ waren ergriffen und bedankten sich voller Begeisterung für einen eindrucksvollen Abend.

Es ist dunkel. Die Gäste sitzen dichtgedrängt in der ersten Etage des Casinoturms, der Teil der mittelalterlichen Stadtbefestigung Freinsheims ist. Dann kommt eine Gestalt mit einem eisernen Ungetüm um den Kopf, spitz zulaufend wie eine übergroße Pestmaske, polternd fluchend die hölzerne Wendeltreppe herunter auf die Ebene der Bühne. „Wer hat sich den Scheiß ausgedacht“, ruft sie. In der Hand hält sie ein beleuchtetes, mehrere Meter langes Schwert, das eigentlich kaum die Wendeltreppe herunterzubekommen ist.

Die Figur ist Helena, die „schönste Frau der Welt“. So wird sie in der antiken Mythologie beschrieben. Sie trägt ein rotes, glitzerndes Ballkleid, dazu goldene Stöckelschuhe und hüftlange blonde Locken. Unten angekommen, wirft sie sich erschöpft auf den Boden, direkt vor die Füße der Zuschauer, nimmt erst das Eisenmonstrum vom Kopf und setzt sich dann auf einen Stuhl. Mit dem Rücken zu den Zuschauern spielt sie Handpan. Dann nimmt sie ihre Perücke ab, hängt sie ans Geländer. Abgeschminkt sozusagen, Ende aller Illusionen. Die Zuschauer scheinen etwas irritiert, sie reagiert: „Wer von euch altert nicht?“ Die antike Helena der Mythologie wurde wegen ihres Ehebruchs mit ewigem Altern bestraft, als Halbgöttin bleibt sie aber unsterblich. Dafür stehen die streng nach hinten gebundenen grauen Haare. Nun legt sie los. Desillusioniert, enttäuscht vom Leben, mit einer Weinflasche in der Hand – nur so ertrage sie dieses Dasein – beginnt sie ihren Monolog.

Sie gilt zwar als die schönste Frau der Welt. Aber sie hatte nichts davon. Sie wurde nur ausgenutzt und gewinnbringend von ihrem Vater Zeus verschachert – nie geliebt, mit 9 vergewaltigt, mit 14 mit dem deutlich älteren König von Sparta verheiratet. Kann man es ihr da übelnehmen, wenn sie sich in den schönen Paris, Prinz von Troja, verliebt? Sie singt ein Liebeslied auf den Geliebten und erklärt: „Kein Vergleich zu dem Hornochsen, der mich bestiegen hat und mir mit seinem Schwanz klargemacht hat, wem ich gehöre.“

Harte Sätze, bei denen das Publikum durchaus schluckt. Im wahrsten Sinne des Wortes – Helena gibt eine Weinflasche herum, damit man das Leid „ersäufen“ kann. Dann kommt
Ein weiterer Rundumschlag: Nein, sie war nicht Ursache des Krieges um Troja, nur Anlass. In Wahrheit ging es um Machtspiele. Ihr Ex-Mann wollte sie nicht wirklich zurückhaben. Als Troja merkte, dass der Krieg nur zur Vernichtung führt, war man sogar bereit, „die Schlampe zurückzugeben“. Vergeblich. Der Krieg ging weiter. Aber, da bekommt das Stück seinen aktuellen Bezug: Endet ein Krieg, wenn man die Beute zurückgibt? Was ist ein gerechter Friede, was ein gerechter Krieg? Das Wort „Ukraine“ wird in den Raum geworfen…

Sie komme jetzt ganz durcheinander, sagt die Schauspielerin. Sie müsse den Text nochmals lesen. Das spielt sie so glaubhaft, dass die Zuschauer denken könnten, sie sei wirklich „aus dem Takt gekommen“. Dabei ist die Vermischung zwischen antiker Mythologie und aktuellen Fragestellungen genau so geplant, dieses kurze scheinbare Heraushüpfen aus der Rolle. Eindrucksvoll auch der Bezug auf die Barbaren dieser Welt, die im Namen irgendeiner Idee in der Weltgeschichte unzählige unschuldige Menschen töteten: Timur Lenk, Mao Tse-tung, Pol Pott, Alexander der Große. Ihre Schandtaten und Profile hängen als Mahnmal im Hintergrund. Weitere Diktatoren-Namen werden verlesen: Mussolini, Hitler, Franco, Mugabe … in endloser Reihe. Und dann ertönen Namen aktueller Politiker, die auch „Dreck am Stecken“ haben. Da kann jeder selbst nachdenken, für wie ehrlich er deren Politik hält. Zumal am Ende ein Satz in Dialekt die Zuschauer zurück in die Gegenwart und das private Umfeld holt.

Eigentlich hätte dann sofort die Premierenfeier im „Erdgeschoss“ des Turmes stattfinden sollen – die Zuschauer blieben aber sitzen. Der Stoff musste erstmal sacken.

TERMINE
Weitere Aufführungen im „Theater der Liebe“ im Casinoturm in Freinsheim am 30. und 31. Januar, 1. Februar, 6., 7., 8. 13. und 14. März, jeweils um 19 Uhr. Karten (20 Euro) unter www.theaterderliebe.de.