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Szenenfoto WeibesSchuld_by Katrin Lind/THEATER DER LIEBE_1200X800_2025

Eine „Schlampe“ setzt sich zur Wehr

Rheinpfalz, Ausgabe vom 18. Januar 2025, von Cosima Schade.

Über sie ist schon ziemlich viel geschrieben worden: Helena, schönste Frau der Welt, je nach Überlieferung Göttin oder Halbgöttin, Verführerin, Urtyp einer Femme fatale. Doch nun spricht sie selbst – und zwar in „Weibesschuld“, dem neuesten Stück des „Theaters der Liebe“ im Casinoturm in Freinsheim. Es geht um die wirklichen Ursachen des Kriegs um Troja und letztlich um einen anderen, „weiblichen“ Blick auf die Geschichte. Premiere ist kommenden Samstag.

„Weibesschuld“ ist eine von Schauspielerin Anja Kleinhans selbst besorgte Bearbeitung des Theatermonologs „Juicio a una Zorra“ des Spaniers Miguel del Arco, was sich am besten mit „Prozess gegen eine Schlampe“ übersetzen lässt. Unter dem Titel „Helena – Plädoyer für eine Schlampe“ erlebte das 2011 beim Festival in Mérida uraufgeführte Stück 2015 auch seine deutschsprachige Premiere im Renaissance-Theater in Berlin. Auch Hedda Brockmeyer inszenierte es 2020 unter diesem Titel in ihrem „Theater in der Kurve“ in Neustadt. Anja Kleinhans übersetzte das Werk nun aber neu. Dazu hat sie im Vorfeld Kontakt mit Verlag und Autor aufgenommen, um die Rechte zu erhalten. Ihre Version enthält deshalb mehr aktuelle Bezüge und wurde zudem in Zusammenarbeit mit dem Regisseur Uli Hoch so gekürzt, dass der Inhalt auch ohne vertiefte Kenntnisse der griechischen Mythologie leicht verständlich ist.

Eine Frau, die einfach jeder „besitzen“ muss

Der feministische Grundansatz freilich bleibt unverändert: Helena, schönste Frau der antiken Welt, wird vorgeworfen, Paris, Königssohn aus Troja, so den Kopf verdreht zu haben, dass dieser sie sie quasi entführen musste. Für ihren „gehörnten“ Ehemann Menelaos, König von Sparta, ist das der Anlass, gegen Troja Krieg zu führen. Dabei wird er von fast allen Fürsten Griechenlands unterstützt, die ihm schon vor der Vermählung in die Hand versprechen mussten, im Falle eines „Raubes der Helena“ beizustehen. Odysseus hatte dieses Ereignis bereits im Vorfeld für wahrscheinlich gehalten, da einfach jeder Mann Helena „besitzen“ wolle.

Im Grunde ist also wieder mal die Frau schuld: Helenas Anziehungskraft unterstellt man, dass ihr Männer willenlos erliegen. Der Topos der Femme fatale ist Motiv vieler Werke in Kunst und Literatur bis heute. Auch Kleinhans’ Inszenierung orientiert sich äußerlich an bekannten Darstellungen: Helenas rotes Kleid und die langen blonden Haare erinnern an das berühmte Gemälde „Helena von Troja“ (1898) der englischen Präraffaelitin Evelyn De Morgan. Im Verlauf der Inszenierung wird sich allerdings das Aussehen Helenas ändern, da sie zur Strafe für ihren Ehebruch, der natürlich allein ihr zur Last gelegt wird, altert. Sie bleibt als Göttin dennoch unsterblich. Als „gereifte Frau“ räumt sie nun aber in ihrem Bühnenmonolog mit „männlichen“ Sichtweisen auf, weist jede Schuld von sich und klagt stattdessen die Gesellschaft an.

Bei Frauen verurteilt, bei Männern bewundert

Denn wie kann man ihr vorwerfen, eine „Schlampe“ zu sein, während Zeus, ihr göttlicher Vater, als Held gesehen wird, obwohl er in der Gestalt eines Schwanes, also durch einen fiesen Trick, ihre Mutter Leda verführt hat? Wieso ist er „der Gute“, obwohl er als Tyrann im Olymp handelt, wie es ihm gefällt? Sie aber soll die Böse sein? Dabei blickt sie doch auf eine Biografie der Ausbeutung zurück: Schon als Neunjährige wurde sie von Theseus vergewaltigt, mit 14 mit dem deutlich älteren Menelaos verheiratet. Erst mit 24 hat sie ihren Geliebten Paris kennengelernt. Bei ihm sein zu wollen, soll Sünde sein? Sie bezweifelt zudem, dass der trojanische Krieg wirklich ihretwegen geführt wurde. Sie sei doch nur ein Vorwand, in Wirklichkeit ging es in dem Krieg um Macht und Politik.

Ganz in Rage, setzt Helena –wie bei unserem Probenbesuch zu erleben ist – zu einem Rundumschlag an: Warum führt man überhaupt Kriege? Was ist ein „gerechter Krieg“, was ein „gerechter Friede“? Geht es in Wirklichkeit nicht immer nur um Macht und Besitz? Es folgt eine Auflistung verschiedenster Tyrannen der Weltgeschichte, auch aktueller.

Helena plädiert für eine ehrliche Geschichtsschreibung aus weiblicher Perspektive. Wobei Anja Kleinhans, so sagt sie im Gespräch, nicht davon ausgeht, „dass Frauen die besseren Politiker sind“. Es gebe auch „Frauen im Hosenanzug“. Ihr gehe es um „männliches und weibliches Denken“, das Ungleichgewicht zwischen Yin und Yang als Ursache von Kriegen und Konflikten. Wobei auch diese Denkweise zeigt, wie sehr man in Stereotypen verhaftet ist, um Wirklichkeit auszudrücken, obwohl man diese eigentlich hinterfragt…

Das überraschende Ende des Stückes, das hier nicht verraten wird, katapultiert die Zuschauer zurück aus der Welt der griechischen Mythologie in die unmittelbare Gegenwart, wo jeder selbst Antworten auf die brennenden Fragen der Zeit finden kann.

TERMINE
Die Premiere von „Weibesschuld“ findet am Samstag, 25. Januar, um 19 Uhr im „Theater der Liebe“ im Casinoturm in Freinsheim statt. Weitere Aufführungen hat Anja Kleinhans dort am 26., 30., 31. Januar, 1. Februar, 6., 7., 8. 13. und 14. März, ebenfalls jeweils um 19 Uhr angesetzt. Karten (20 Euro) unter www.theaterderliebe. de. Der Casinoturm befindet sich am äußeren Stadtmauerrundgang in der Nähe des Hotelgartens „Wasserwerk“.